Mir fehlt der Handschlag. Ehrlich, ich vermisse, dass ich Menschen nicht mehr die Hand geben kann, wenn ich sie begrüße. Das ist vielleicht ein bisschen oldschool, aber ich mag das sehr.
Ich hab das als Kind so richtig gelernt. Es war meiner Familie wichtig, dass ich Menschen per Handschlag und mit Namen begrüße und auch verabschiede. Das ist mir zum einen in Fleisch und Blut übergegangen, zum anderen habe ich mich irgendwann aber auch bewusst dazu entschieden, anderen meine Hand anzubieten, wenn ich sie begrüße oder verabschiede.
Ich finde es vor allem zur Begrüßung gut, weil ich gleich mit dem oder der anderen verbunden bin. Und es erleichtert auch sich einander vorzustellen.
Das finde ich besonders interessant. Die Vorstellung ist bei uns doch sehr an den Handschlag gebunden. Wir bauen gerade und da muss man sich ja viel beraten lassen. Und es passiert uns immer wieder, dass wir vergessen, uns vorzustellen, weil wir dem anderen nicht die Hand gegeben haben. „Hallo, guten Tag, ich bin Johanna Vering.“ Das mache ich irgendwie ohne Handschlag nicht. Dafür muss ich einen anderen Platz finden. Den suche ich jedes Mal wieder. Meistens mache ich es jetzt so, dass ich den Leuten gleich am Anfang sage, wer ich bin und dass ich ihnen eigentlich gerne die Hand geben würde.
Ich habe den Eindruck, es geht vielen so. Ich hab im September neu am Johanneum als Seelsorgerin angefangen und es gab viele Kolleginnen und Kollegen, die mir automatisch die Hand angeboten haben. Das war total komisch, weil ich schon soweit bin, dass ich nicht einschlage, sondern sage: Entschuldigung, das können wir doch gerade nicht. Es ist schlicht und ergreifend infektionsschutzmäßig nicht drin.
Viele vermuten, dass der Handschlag nach Corona nicht wiederkommen wird. Das fände ich sehr schade.
Wenn wir uns die Hände reichen, um uns zu begrüßen oder zu verabschieden, sind wir Menschen automatisch miteinander verbunden. Wir gehen aufeinander zu und ich wende mich dem oder der anderen zu. Man schaut sich in die Augen. Ich habe in dem Moment ganz anders Kontakt zu einer Person, als wenn ich nur von fern „Hallo“ sage. Manchmal merkt man schon beim Händedruck, wie es dem anderen geht.
Es geht für mich also um einen kurzen Augenblick, in dem wir wirklich -eben auch körperlich- miteinander verbunden sind. Das hört sich vielleicht etwas hochgegriffen an, aber je länger ich auf den Handschlag verzichten muss, desto klarer wird mir das.
Wir Menschen sind auf andere angewiesen. Alleine geht es nicht. Vor Corona nicht und jetzt schon gar nicht.
Der Handschlag ist zwar nur ein kleines Zeichen. Aber ich wünsche mir sehr, dass ich irgendwann den Leuten, die ich treffe oder neu kennenlerne, wieder die Hand geben kann.
Impuls von Pastoralreferentin/Schulseelsorgerin Johanna Vering