Münster (pbm/acl). Seine Sorge um die Existenz landwirtschaftlicher Familienbetriebe hat der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, zum Abschluss des Agrardialogs am 18. August zum Ausdruck gebracht. Die Suche nach einer Balance zwischen dem Schutz der Natur und der Kulturlandschaft könne für verantwortungsbewusste Christen nur im Miteinander gelingen. „Diese Suche erscheint mir aber weiterhin schwierig“, betonte er. Landwirte und Naturschützer gingen auf die Straße – trotz runder Tische und vorgeschlagener Kompromisse in der Tierhaltung. „Die vielzitierte Solidarität des landwirtschaftlichen Berufsstandes darf nicht Geschichte sein. Als Bistum mit mehreren katholischen landwirtschaftlichen Verbänden wollen wir hier Gegenakzente setzen“, sicherte er seine Unterstützung zu.
Vor eineinhalb Jahren hatte der Bischof das Diskussionsforum ins Leben gerufen, das in fünf Foren zentrale Fragen zur Landwirtschaft in der Gesellschaft diskutiert hatte. In der Landvolkshochschule (LVHS) in Freckenhorst stellte Pfarrer Bernd Hante, Diözesanpräses der Katholische Landvolkbewegung (KLB) und der Katholische Landjugendbewegung (KLJB) im Bistum Münster, zum Abschluss ein gesellschaftliches Leitbild für eine nachhaltige Landwirtschaft vor. Darin fordern die Verbände unter anderem ein nachhaltiges Wirtschaften durch eine Balance von Ökologie, Ökonomie und Soziales, die soziale Sicherheit von Bauern und Bäuerinnen sowie eine Stärkung der regionalen Landwirtschaft als Schlüssel gegen weltweiten Hunger und Armut. Zudem sprechen sich die Verbände dafür aus, Ernährungslehre als Schulfach zu etablieren. Sie appellieren außerdem an die Verantwortung der Politik: „Bauern und Bäuerinnen brauchen Verlässlichkeit, die über eine Legislaturperiode hinausgeht.“
Bischof Genn bezeichnete das Leitbild als „eine gute Orientierungshilfe für alle Beteiligten“, das alle Akteure in der Wertschöpfungskette in den Blick nehme und zum Umdenken auffordern. „Aber glaubwürdig sind wir nur, wenn wir regionales und nachhaltiges Einkaufen mehr Gewicht geben als dem Preis und wenn wir im Kirchenland soziale und ökologische Kriterien höher gewichten als die zu erwartenden Zinsen“, betonte er. Die katholische Kirche begrüße die gesellschaftliche Aufmerksamkeit, die dem Miteinander von Mensch, Tier und Natur zukommt. „Die Bewahrung der Schöpfung gehört zur DNA der Kirche“, betonte der Bischof.
In diesem Zusammenhang nahm Genn auch Stellung zum Gesetzentwurf zum Verbot von Werkverträgen in Schlachthöfen: „Es ist beschämend, wie lange wir auch in der Kirche weggeschaut haben“, fand er deutliche Worte. „Ob in der Fleischbranche, bei Paketzustellern, bei Pflegekräften oder wo auch immer wir uns billiger Arbeitskräfte bedienen: Sie menschenwürdig unterzubringen und gerecht zu bezahlen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.“
Die Sicht der jungen Generation auf die Zukunft der Landwirtschaft brachte Mareike Henkelmann zum Ausdruck. Die junge Landwirtin kritisierte, dass die Geschwindigkeit der gestellten Forderungen aus Politik und Gesellschaft immer weiter zunehme. „Angepasste Rahmenbedingungen seitens der Regierung und ein Gesellschaftsvertrag sind nötig, um uns langfristig Planungssicherheit zu verschaffen“, sagte sie. Zudem sei eine öffentliche Diskussion mit den Bürgern und Verbrauchern wichtig, damit sie den Mehrwert der deutschen Landwirtschaft erkennen und ihr Handeln beim Einkauf darauf ausrichten.
„Eine entwicklungsfähige Landwirtschaft ist das, wofür wir uns in unserem Handeln als Junglandwirte und Hofnachfolger jeden Tag einsetzen“, betonte Henkelmann, die sich auch ehrenamtlich in der KLJB engagiert. „In der Verbandsarbeit setzen wir uns für eine familiengeführte, regionale Landwirtschaft ein, denn wir sind davon überzeugt, dass diese Form der Landwirtschaft unsere Gesellschaft insgesamt widerstandsfähiger gegen ökologische, ökonomische und soziale Krisen macht.“
Moderiert von der Journalistin Luise Richard gaben Teilnehmerinnen und Teilnehmer der fünf Workshops Einblicke in die Arbeit der vergangenen Monate, auf deren Grundlage das Leitbild formuliert wurde. Zustimmung erfuhr dieses von Prof. Dr. Folkard Isermeyer, Präsident des Thünen-Instituts in Braunschweig. Der Wissenschaftler bezeichnete die Leitlinien als „gut gelungen“, wenngleich es nicht die eine „Heile-Welt-Lösung“ gebe. Er ermutigte die Vertreter dazu, überall dort, wo es möglich sei, Landwirtschaft regional zu gestalten. Den Politikerinnen und Politikern die Hauptverantwortung zu übertragen, halte er allerdings nicht für den richtigen Ansatz. „Damit wird die Erwartung geschürt, dass Politik, überall dort, wo sie Einfluss nimmt, für eine bessere Welt sorgen kann. Wenn wir aber glauben, dass die Politik am Ende über die Einflussnahme an der Preisgestaltung die Welt rettet, können wir lange warten“, erklärte er.
Text: Ann-Christin Ladermann, Abteilung Medien- und Öffentlichkeitsarbeit Bischöfliche Pressestelle/Region Münster