An diesem Sonntag wird im Gottesdienst ein Text aus dem Alten Testament gelesen, der mir immer wieder deutlich macht, wie nah diese Texte doch dem Leben sind. (2 Kön 4,8-16a):
Ein verfolgter Fremder trifft eine junge, reiche Frau, die mit einem alten Mann verheiratet ist. Ich bin sicher, die Nachbarn des Ehepaares haben sich so ihre Gedanken gemacht:
Wieso bleibt dieser junge Mann so oft über Nacht? Was macht der da? Da müsste ihr Mann doch protestieren! Und dann wird sie auch noch schwanger. Was man davon halten soll, ist ja wohl klar!
Ja, so ganz fremd ist uns eine solche Denkweise wohl nicht.
Doch die Wahrheit ist – wie so oft – eine andere.
Da ist Elischa, der Gottesmann, der einen sicheren Platz braucht, da ihm Verfolgung droht. Er ist froh, dass er ein Zuhause auf Zeit hat, wo er bleiben darf, wo man ihm Raum schafft, Heimat bietet und Abgeschiedenheit – alles, was er braucht.
Die Frau, die ihm das alles gibt, hat keinen Namen aber sie informiert ihren Ehemann, nimmt den Verfolgten auf und riskiert dabei einiges. Eine entschlossene Frau, die alles hat – nur das eine nicht, damals das Wichtigste: Sie hat kein Kind und wird nach menschlichem Ermessen keines mehr bekommen.
Und ihr Mann hat er sich vielleicht Kinder gewünscht und deshalb eine so viel jüngere Frau geheiratet? Wollte er in einem Haus voll Leben alt werden? Und nun ist da nichts außer einem neuen Mann im Obergeschoß, den seine Frau unbedingt bei sich haben will.
Es ist kein glückliches Haus. Doch da ist der Diener, der Elischa auf das Problem aufmerksam macht. Dieser Diener ist offenbar viel näher dran an der Not der anderen. Mit offenen Augen und dem Mut, offen zu reden. Er gibt den Anstoß für das neue Leben, das mit Gottes Hilfe beginnen soll.
Für mich steckt darin die „Frohen Botschaft“:
– Die Frau, die einen Verfolgten aufnimmt trotz der Gefahr und dem Getratsche der Nachbarn.
– Ihr Mann, der ihr vertraut, sie machen lässt mit all ihrer Energie, die er nicht mehr aufbringen kann.
– Der Diener, der die Not sieht und sie ins Wort bringt.
– Und Elischa, der so sehr mit Gott verbunden ist, dass er Leben verheißen kann, wo nichts mehr zu erwarten ist.
Ein Netz aus Beziehungen wird da gewoben in dem jeder und jede die eigenen Gaben einsetzt, damit Gutes werden kann.
Ein Becher Wasser für den, der es braucht, ist nicht umsonst gegeben. Wer für das Leben sorgt, wird es erleben.
- So wie bei diesen Vieren in unserem Text.
Impuls von Michael Fleiter, Diakon