„Ich kann nicht mehr!“ – Wer kleine Geschwister, Kinder oder Enkel hat, wird diesen Satz sicher zur Genüge kennen.
Meistens wird dann dem tapfer dahinstapfenden Menschlein ein kurzer Blick gegönnt. Es folgt zumeist ein aufmunterndes Wort: „Das schaffst du schon. Es ist ja nicht mehr weit! Du bist doch schon groß und stark!“ Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem alle Ermutigung nicht mehr weiterhilft. Die kleinen Beine wollen nicht mehr und es folgt der Satz: „Komm, ich trag dich ein Stück!“
Es ist ein Glück für beide: Ein Stück Weg in Gemeinsamkeit – zusammen gehen wir und zusammen kommen wir an.
Das gilt nicht nur bei Kindern.
Wie oft mussten wir alle schon getragen werden? Nicht nur Kinder verlieren den Mut und das Vertrauen auf ein gutes Ende eines langen, mühseligen Wegs. Eine lange Krankheit, Einsamkeit, das Gefühl, nicht zu genügen – selig, wer dann jemanden hat, der tragen kann!
Gott erinnert sein Volk in der Lesung des heutigen Tages, wie oft er Israel schon getragen hat, als die Wüste zu heiß und das Meer zu tief war. Und weil sie diese Erfahrung machen durften, ruft er ihnen zu: Vertraut mir, vertraut euch mir an. Hört auf meine Stimme, haltet an dem Bund zwischen mir und euch fest.
Das Volk versprach seine Treue – und brach sie immer wieder. Unterwegs zu sein mit Gott – das ist kein Spaziergang. Und es ist nicht immer leicht, sich darauf zu verlassen, dass man ganz bestimmt getragen wird, wenn es nötig ist.
Allzu oft wurden auch dem Volk Israel die Beine schwer und es war kein Ende der Qualen abzusehen. Wo ist denn Gott, wenn es mir so schlecht geht? Warum sagt er nichts gegen die Not um uns herum? Wie soll ich ihm vertrauen, wenn alles über meine Kraft geht?
„Wie auf Adlerflügeln habe ich euch getragen“, sagt Gott. Dieses Bild aus der Biologie zeigt, dass auch das Adler-Küken, sobald seine Schwingen stark genug sind, zwar selbst fliegen kann. Aber oft genug landet der kleine Adler da, wo er gar nicht hin will. Er muss dann getragen werden und lernen, sein Ziel anzusteuern, seine Kraft einzuschätzen und seine Beute selbst zu finden.
Und eigentlich wissen wir: Genau das müssen wir auch tun; wir sind keine Kinder mehr, die durchweg versorgt, gefüttert, getragen werden müssen. Gott will uns nicht klein halten. Er will, dass wir bewahren, was schwach und bedürftig ist. Und dankbar sind für alles, was uns stützt und stärkt. Das gilt auch für Gottes Wort und unsere Gemeinschaft im Glauben.
Durch alles Dunkle, Schwere hindurch, auch wenn wir uns verirrt haben und der Weg nicht mehr zu erkennen ist, hilft gemeinsames Handeln, stark sein, tragen können und Mut machen.
Das ist ein Segen für alle! Das ist ein Abglanz der göttlichen Liebe.
Impuls von Michael Fleiter, Diakon