Ideen für Pfingstpredigt 2020:
Zum Evangelium
Die Jünger befinden sich wie wir im Lockdown. Sie sitzen hinter verschlossenen Türen.
Wie kommen die Jünger da nur wieder heraus? Das ist die interessante Frage.
Die Türen zu schließen, sich zurückziehen und sich abkapseln, das ist leichter als einen Ausweg aus der Isolation zu finden.
Die Jünger kommen verändert wieder heraus. Nachdem sie den Geist empfangen haben, sind sie nicht mehr die gleichen. Dass es einen solchen Wandel bei den Jüngern gegeben hat, das lässt sich historisch nachweisen.
Wieder herauskommen, das klappt meistens nur, wenn jemand anderes mir hilft. Wenn jemand mir Mut macht, mir einen neuen Geist einhaucht.
Die Kirche muss nach neuen Wegen suchen, um die Menschen zu erreichen. So wie Jesus nach seiner Auferstehung einen neuen Weg zu seinen Jüngern suchen musste.
Es ist schon interessant: Heute am Pfingstfest begegnen uns sowohl in der Lesung aus der Apostelgeschichte wie auch im Johannesevangelium Jünger, die hinter verschlossenen Türen sitzen. Sie haben aus Furcht die Türen gut verschlossen. Eigentlich sind es noch gar keine Apostel. Als Jünger waren sie Jesus begeistert hinterhergelaufen. Sie sind dann jedoch erschrocken, als Jesus jämmerlich am Kreuz stirbt. Und dieser Schrecken hatte sich selbst durch die Erfahrung der Auferstehung nicht gelegt. Nein, in den Ostergeschichten ist immer wieder von der Furcht, von der Erschütterung, ja sogar von Zweifeln und vom Unglauben die Rede. Wann wird dieser Schrecken endlich zu Ende sein? Wann wird die Furcht ein Ende haben?
Glauben wir denn als Christen tatsächlich, dass die Entwicklung eines neuen Impfstoffs gegen Corona schon die Furcht vor dem Tod überflüssig macht? Manchmal scheint es heute so, als glaubten die Menschen, sie selbst hätten die Macht über Leben und Tod. Die Forschung wird es schon richten. Und wenn dann erst einmal die passenden Medikamente gegen die Seuche gefunden sind, dann brauchen wir den Tod ja nicht mehr zu fürchten. Glauben wir so etwas wirklich?
Pfingstpredigt 2020:
Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist schon etwas länger her, da hat ein inzwischen verstorbener Bischof in einer Pfingstpredigt den Heiligen Geist mit einem Virus verglichen, das sich über die ganze Welt ausbreitet. Das ist – wie gesagt – schon lange her. Damals war von der Corona-Pandemie noch keine Rede, die jetzt schon seit Wochen und Monaten das Weltgeschehen bestimmt und die uns wohl leider auch in den kommenden Wochen und Monaten noch weiter verfolgen und beschäftigen wird. Obwohl zur damaligen Zeit also von einer solchen Pandemie noch keine Rede war, zuckte ich als Zuhörer dennoch irgendwie innerlich zusammen. Denn nicht alles, was hinkt, ist auch ein Vergleich, wie das Sprichwort sagt. Und das Bild vom Heiligen Geist, der sich wie ein Virus in der Welt verbreitet, schien mir doch etwas schräg zu sein.
Damit möchte ich sicherlich nicht behaupten, dass es mir als Prediger stets gelingt, die richtigen Worte und die passenden Vergleiche zu finden. Immerhin hat mich diese damalige Predigt trotz oder gerade auch wegen dieses schwierigen Vergleichs doch offenbar zum Nachdenken gebracht. Und sie hat auf alle Fälle so viel Eindruck bei mir hinterlassen, dass sie mir eben im Gedächtnis geblieben ist, und das auch noch Jahre später. Und was will man von einer Predigt mehr erwarten?
Und schräge Vergleiche mit Viren gibt es übrigens auch in hipp und zeitgeistkonform; denn sprechen wir heute im digitalen Zeitalter nicht auch davon, dass irgendein Video oder irgendein Bild im Internet viral geht, wenn sich dieses Bild oder Video mit rasender Geschwindigkeit durch das Netz verbreitet, weil es immer mehr Menschen anklicken und anschauen? Auch in diesem Zusammenhang denken die Nerds, also die Computerspezialisten, wohl kaum an eine tödliche Gefahr.
Tatsächlich aber verbinden sich mit dem Stichwort „Virus“ an sich doch zweifellos negative Vorstellungen. Wenn ein Virus viral geht, um mal dieses Wortspiel zu verwenden, dann wird es zu einer richtigen tödlichen Bedrohung für unzählige Menschen, so wie wir es in den vergangenen Monaten in vielen Teilen der Welt erlebt haben. Die Verbreitung eines Virus bedeutet darum in der Praxis ganz eindeutig nichts Gutes.
Der Heilige Geist aber, um den es ja heute an diesem Pfingstfest geht, mag sich zwar auch mit viraler Geschwindigkeit in der Welt verbreiten und auf viele Menschen überspringen, wie wir es heute zum Beispiel in der Pfingstlesung aus der Apostelgeschichte gehört haben. Er ist aber ganz sicher etwas ganz anderes als ein todbringendes Virus. Denn durch den Heiligen Geist breitet sich ja gerade nicht eine tödliche Gefahr aus, sondern das genaue Gegenteil davon: Durch den Heiligen Geist verbreitet sich das neue Leben des auferstandenen Christus in der Welt. Und diese Lebensmacht des auferstandenen Herrn ist durch den Geist in der Welt wirksam und gegenwärtig. Wo der Geist Jesu Christi sich verbreitet, da siegt das neue Leben über den alten Tod. Das ist die wunderbare Botschaft, die wir heute am Pfingstfest hören dürfen, an dem Gottes lebendig machender Geist den Jüngern und der Welt eingehaucht wurde.
Als Christen, als Gläubige dürfen wir aber nicht vergessen, dass es letztlich dieser lebendig machende Geist Jesu Christi ist, auf den wir im Glauben unsere Hoffnung und unser Vertrauen setzen. Und das gilt auch in diesen Corona-Zeiten.
Wir müssen der Forschung und der Medizin natürlich zutiefst dankbar sein, wenn sie irgendwann hoffentlich einen Impfstoff gegen das Corona-Virus gefunden hat. Und wir dürfen wirklich froh sein, wenn es hoffentlich bald wirksame Medikamente gegen die furchtbare Krankheit Covid-19 gibt.
Aber natürlich dürfen wir als Christen unser Vertrauen nicht nur auf die Forschung und die Medizin allein setzen, wenn es um Leben und Tod geht. Denn selbst wenn es irgendwann einmal einen Impfstoff oder ein Medikament gegen Corona gibt, führt das im besten Falle ja zur Gesundung von Kranken und zu einer Verlängerung des Lebens auf dieser Erde. Und das ist nicht nichts.
Aber natürlich ist damit nicht der Tod selbst überwunden. Kein Impfstoff und kein Medikament kann uns ein unvergängliches Leben garantieren. Vor allem aber wird uns die medizinische Forschung niemals die Fülle des Lebens und die Vollendung des Lebens bringen. Und das ist doch das eigentlich Entscheidende.
Denn das Herz des Menschen kommt nur bei Gott allein zur Ruhe, nur bei Gott findet es seine Erfüllung und sein ewiges Glück, sagt der Kirchenvater Augustinus.
Durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt und der uns verwandelt, werden wir in die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott aufgenommen. Und wir werden den Frieden Gottes empfangen, der höher ist als alle Vernunft, wie der Apostel Paulus schreibt. Wir werden ganz erfüllt und durchdrungen von der barmherzigen Liebe Gottes, so dass wir selbst an dieser Liebe teilhaben werden. Dann werden wir Christus schauen wie er ist, denn wir werden ihm ähnlich gemacht durch den Geist, und dann wird unsere Freude wirklich vollkommen sein, wie uns der Apostel Johannes sagt.
Keinen Grund zur Panik und keinen Grund zur Sorge haben wir als Christen letztlich deshalb, weil wir durch den Geist Gottes glauben, dass Gottes Lebensmacht stärker ist als der Tod. Und dass wir Anteil erhalten an der Auferstehung Jesu Christi und an seinem unvergänglichen Leben, das ist der eigentliche Grund unserer Hoffnung.
Genau das aber ist die Erfahrung des Glaubens und der Ermutigung, die die Jünger an Pfingsten gemacht haben. Durch den Geist haben sie endlich die wunderbare Erfahrung gemacht, die in einem Psalm so ausgedrückt wird: Du, Herr, hast mir Raum geschaffen als mir angst war! Du führst mich hinaus ins Weite, du machst meine Finsternis hell!
Dass unser Leben letztlich doch in Gottes Händen liegt, daran möchte der Geist Gottes nicht nur die Jünger damals, sondern auch uns heute erinnern. Und genau darum brauchen wir – selbst in Corona-Zeiten – nicht in Panik zu verfallen, sondern dürfen aus diesem Glauben Kraft und Trost und Hoffnung gewinnen, ohne dass wir damit die Vergänglichkeit des Lebens verdrängen oder tödliche Gefahren leichtsinnig unterschätzen. Die Alternative zur Panik ist für uns als Christen nicht der Leichtsinn, sondern die Besonnenheit und die innere Gelassenheit, die uns der Glaube schenken will.
Und wenn dieses Vertrauen in uns die Angst vertreibt und uns eine starke Hoffnung schenkt, dann können auch wir Pfingsten erfahren. Amen.
Predigt von Pfarrer Frank Weilke