Liebe Gemeinde!
In Krisenzeiten suchen die Menschen nach Orientierung und nach Trost. Und darum wenden sich auch die Staatsmänner und Staatsfrauen in allen Ländern der Welt in solchen Krisenzeiten oft direkt mit einer richtungsweisenden und aufbauenden Rede an ihr Volk. Große Übung in dieser Kunst der Rede an die Nation hat zweifellos die britische Königin Elizabeth II. Nun ja, sie sitzt ja nun mittlerweile auch schon seit mehr als 60 Jahren auf dem englischen Thron und hat in ihrer langen Regentschaft schon eine ganze Reihe schwerer Krisen erlebt. In dieser Corona-Krise, die in diesem Jahr 2020 die ganze Welt in ihren Bann schlägt, ist es der britischen Queen aber – wie ich finde – in sehr bewundernswerter Weise gelungen, ihren Untertanen tatsächlich Mut zuzusprechen und ihnen Hoffnung zu machen. In ganz einfache Worte kleidete sie dabei einen wirklich großen Trost für die Menschen, die durch die Pandemie betroffen sind und die auch in Großbritannien einige Wochen lang einen Lockdown erlebt haben, wie es ihn in der Geschichte zuvor wohl noch nie gegeben hat. Die Hoffnungssätze, die die Königin in ihrer Fernsehansprache zur Corona-Krise an die Nation richtete, lauteten schlicht und eindrücklich: „Es wird wieder eine andere Zeit kommen. Wir werden einander wiedersehen und wir werden wieder zusammen sein.“ Schlichte Sätze sind es, in denen aber die große Sehnsucht aller Menschen angesprochen wird und in denen die wichtigste Hoffnung der Menschen zum Ausdruck kommt. Auf die Zeit der Quarantäne und der erzwungenen Distanz voneinander wird einmal wieder eine Zeit folgen, in der Gemeinschaft zwischen den Menschen gefahrlos möglich sein wird.
„Wir werden einander wiedersehen und wir werden wieder zusammen sein.“ Das ist die große Hoffnung, die die Kinder erfüllt, die doch irgendwann sich darauf freuen, wenn sie wieder ihre Freundinnen und Freunde in der Schule wiedersehen können. Und manche freuen sich auch auf die Lehrerinnen und Lehrer. Es ist aber auch die große Hoffnung der Arbeitnehmer, die nach langen Wochen im Home-Office oder im erzwungenen Urlaub ihre Kollegen vermissen und die irgendwann einmal wieder ganz ungezwungen wieder mit ihnen zusammenarbeiten möchten, so wie es vorher war. Besonders aber sind es wohl auch viele betagte und kranke Menschen, die sich in diesen Tagen dringlich ein solches Wiedersehen und eine solche neue Gemeinschaft mit ihren Familienangehörigen und Freunden erhoffen. Schön ist es, wo es schon in diesen Tagen möglich ist, ein solches neues Zusammensein zu erleben. Schöner noch aber wird es erst dann sein, wenn wirklich die Gefahr und die Sorge vorüber sein werden, wenn die Gemeinschaft der Menschen untereinander wieder sorglos möglich sein wird. Diese Hoffnung werden wohl alle Menschen auf der Welt in diesen Wochen der Pandemie miteinander teilen. Und dass es eine solche gemeinsame Hoffnung überhaupt gibt, in der sich alle Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern wiederfinden können, das ist an sich schon ungewöhnlich und bemerkenswert genug.
Wenn es jemandem gelingt, die Hoffnung in ganz einfache und eingängige Worte zu kleiden, dann berührt sie die Herzen vieler Menschen. Genau dazu fordert uns nun der Apostel Petrus als Christen heute in der Lesung auf, die wir vorhin gehört haben. Der Verfasser dieser neutestamentlichen Lesung ruft uns dazu auf, dass wir jedem Rede und Antwort stehen, der uns nach unserer Hoffnung fragt, die uns erfüllt. Wir alle sind dazu berufen, unsere Hoffnung in der Welt und vor unseren Mitmenschen zu bezeugen.
Ein Problem, das sich für viele Christen sofort ergibt, wenn sie diese Aufforderung aus dem Ersten Petrusbrief hören, besteht aber leider darin, dass sie sich für überfordert halten. Was ich? Ich soll anderen Menschen etwas über meinen Glauben und meine Hoffnung erzählen? Du liebe Güte! Das kann ich nicht. Ich weiß doch auch nicht so genau Bescheid. Und die Leute sind heute doch so kritisch. Wenn ich da irgendetwas sage, dann weiß ich nicht, ob das richtig ist. Jede Seelsorgerin und jeder Seelsorger, der schon einmal das Vergnügen hatte, für die Erstkommunion- oder die Firmkatechese nach Katechetinnen und Katecheten zu suchen, wird wahrscheinlich schon solche Reaktionen erlebt haben. Rede und Antwort stehen, wenn jemand nach dem Grund unserer Hoffnung fragt, das erscheint als beinahe unüberwindliche Herausforderung. Das ist eine Sache für Experten und Studierte, die Ahnung von Theologie und Kirchengeschichte haben.
Aber ist die Hoffnung, die uns als Christen erfüllt, wirklich so kompliziert und so schwierig zu vermitteln? Für den Apostel Petrus offenbar nicht. Er traut auch ganz gewöhnlichen, ganz einfachen und ungebildeten Menschen aus seiner Gemeinde zu, Zeugen der Hoffnung zu werden. Ein vorhergehendes Studium ist dazu nicht erforderlich, wohl aber dass man selbst die Hoffnung tatsächlich in sich trägt.
Und so kompliziert ist der Inhalt der christlichen Hoffnung auch tatsächlich nicht. Als ich die Trostworte der englischen Königin in ihrer Ansprache zur Corona-Krise gehört habe, da habe ich mir gedacht, dass man genauso auch von unserer christlichen Hoffnung sprechen könnte. Wenn uns jemand fragt, worauf wir als Christen unsere Hoffnung setzen, dann können auch wir schlicht und einfach sagen: „Wir hoffen, dass wir einander wiedersehen werden und dass wir wieder zusammen sein werden.“ Diese christliche Hoffnung bezieht sich dabei natürlich nicht nur auf die Zeit nach dem Shutdown, nach der Corona-Krise. Diese christliche Hoffnung hat natürlich einen viel weiteren und viel umfassenderen Horizont. Wir werden einander wiedersehen und wir werden wieder zusammen sein bei Christus, bei Gott. Wenn das Reich Gottes sich einst vollendet, dann werden wir wieder zusammen sein in einer Gemeinschaft, die Gott selbst durch seinen Heiligen Geist ermöglicht. Wir hoffen darauf, dass wir dann in einer ganz neuen Weise aufeinander schauen werden und in einer ganz anderen Weise miteinander vereint sein werden: in der unendlichen Liebe und Vergebung, die uns Gott selbst ins Herz eingibt.
Und auch wenn wir natürlich nicht genau wissen, wie das alles genau geschehen wird und was wir dann genau erleben werden, so ist doch die Hoffnung selbst klar und einfach: Es wird eine neue Welt kommen. Und dann werden wir einander wiedersehen und wir werden miteinander zusammen sein. Wir werden in Gott und durch Gott verbunden sein zu einer neuen Gemeinschaft.
Ob andere Menschen, ob die Fragesteller diese Hoffnung teilen wollen und werden, das steht dann auf einem anderen Blatt Papier. Aber diese Hoffnung selbst, die uns als Christen erfüllt, die ist nicht schwer zu begreifen und auch nicht schwer zu formulieren. Diese christliche Hoffnung kann jeder von uns bezeugen.
Und wenn wir nun danach fragen, wie es uns denn möglich sein soll, dass wir Zeuginnen und Zeugen der Hoffnung sind, dann gibt uns Jesus im heutigen Evangelium noch ein tröstendes und stärkendes Wort mit auf den Weg: Wenn wir für unsere Hoffnung vor der Welt Zeugnis ablegen und wenn wir dabei auf Gott vertrauen, dann werden wir erfahren, dass Christus uns nicht als Waisen zurückgelassen hat. Wir werden erfahren, dass Christus uns seinen Beistand, den Heiligen Geist sendet und zukommen lässt. Wir werden die Kraft des Heiligen Geistes selbst erfahren, wenn wir Zeugnis ablegen im Vertrauen auf Gott. Das ist ein wunderbares Versprechen, das uns Christus hier macht. Im Heiligen Geist werden wir schon jetzt und hier die Erfahrung machen, dass es diese neue Gemeinschaft mit Christus und untereinander tatsächlich gibt, eine Gemeinschaft, die sich dann im Himmel einst vollenden wird.
Und so dürfen wir voller Vertrauen Zeuginnen und Zeugen der Hoffnung sein. Und dazu wollen wir um den Geist Gottes bitten. Amen.
Predigt von Pfarrer Frank Weilke