Vor ein paar Tagen bekam ich ein Bild zugeschickt. Es entstand in der Kirche in Rheine-Hauenhorst. Dort befindet sich ein Weihwasserbecken, in dem zurzeit ein Rotkelchen sein Nest gebaut hat und angefangen ist zu brüten. [Anm.: Das Bild ist urheberrechtlich geschützt. Sie finden es bei der Zeitung MV online unter folgendem, externen Link]
Ein ungewohntes Bild mit einem zweckentfremdeten Gegenstand, mit dem wir sonst ganz anderes verbinden: Das Weihwasser, das sich dort normalerweise befindet und mit dem wir uns am Eingang der Kirche bekreuzigen, soll uns an unsere Taufe und an die Osternacht erinnern. Im Moment ist es verboten, die Weihwasserbecken in den Kirchen zu befüllen, weil sich gerade über Flüssigkeiten, über Tröpfchen die Coronaviren verbreiten. Diesen Umstand hat sich das Rotkelchen zunutze gemacht.
So einiges ist zurzeit nicht erlaubt, und so entsteht an vielen Orten und in vielen Bereichen etwas Neues und Ungewohntes, wo man an vielen Stellen denkt: Nicht schlecht, warum haben wir das vorher nicht getan? Die Kreativität, die so mancher jetzt an den Tag legt, ist ein durchaus positiver Nebeneffekt der Coronakrise. Auch das Teilen von schönen Erlebnissen, von aufmunternden Botschaften und Möglichkeiten, einander zu helfen, wie es momentan gerne über die sozialen Netzwerke passiert, ist etwas, das sich auch über diese Zeit hinaus aufrechtzuerhalten lohnen würde.
Das Bild vom Rotkehlchennest im Weihwasserbecken löst vielleicht zuerst ein wenig Entrüstung bei uns aus: Das gehört hier doch nicht hin! Das ist doch ein kirchlicher Gegenstand für einen bestimmten Sinn, der nicht einfach so für falsche Zwecke gebraucht werden darf! Doch ich glaube, Gott, dessen Haus die Kirche schließlich ist, hat ein viel weiteres Herz, als wir es uns manchmal vorstellen können. Ich glaube sicher, dass er unsere vielen Bemühungen, in Gebet und Nächstenliebe unseren Glauben in ungewohnten, neuen Formen zu leben, mit Wohlwollen betrachtet. So, wie er jeden einzelnen Menschen betrachtet. Er kennt uns sowieso.
Einige Verse aus dem Psalm 139:
HERR, du hast mich erforscht und kennst mich.
Ob ich sitze oder stehe, du kennst es. Du durchschaust meine Gedanken von fern.
Ob ich gehe oder ruhe, du hast es gemessen. Du bist vertraut mit all meinen Wegen.
Von hinten und von vorn hast du mich umschlossen, hast auf mich deine Hand gelegt.
Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen, zu hoch, ich kann es nicht begreifen.
Nähme ich die Flügel des Morgenrots, ließe ich mich nieder am Ende des Meeres, auch dort würde deine Hand mich leiten und deine Rechte mich ergreifen.
Geistlicher Impuls von Anne Gravendyk, Pastoralreferentin