„Vom Mönchsvater Antonius wird berichtet, dass er inmitten seiner Mönchsgemeinde am Rand der oberägyptischen Wüste lebte. Einmal hatte er seine Mönche um sich gesammelt, nicht zum Gebet, nicht zum Gottesdienst, sondern einfach zum geselligen Beisammensein. Da kam ein Jäger vorbei und wunderte sich: „Da sieht man es wieder einmal! Typisch! Faul herumstehen und nicht arbeiten!“
Antonius kommt mit ihm ins Gespräch und fordert ihn auf: „Spann deinen Bogen!“ Der Jäger tut es. „Viel zu wenig, noch mehr spannen!“ ruft ihm Antonius zu. Der Jäger gehorcht. „Immer noch nicht genug! Noch kräftiger anspannen!“, befiehlt Antonius weiter. Doch diesmal macht das der Jäger nicht, sondern sagt: „Wenn ich ihn noch mehr anspanne, dann zerbricht er mir!“ „Aha“, antwortet der Mönchsvater, „schau, Jäger, genauso ist es mit dem Menschen! Wenn er seine Kräfte übermäßig anspannt, dann zerbricht er. Er muss entspannen, um anspannen zu können!“ Nachdenklich zieht der Jäger davon.“
In der jetzigen Zeit kann diese Geschichte von Antonius sicherlich sehr unterschiedlich gedeutet werden. Wie gerne würden wir uns einmal wieder treffen, um es uns in geselliger Runde gut gehen zu lassen, um faul herumzustehen und nicht zu arbeiten. Aber das funktioniert im Moment nicht. Die Kontaktsperre verhindert es.
Für viele bedeutet diese Zeit jedoch auch, dass der Bogen kurz vor dem Zerreißen steht. Familien stehen vor der Herausforderung, die Betreuung der Kinder neben der Arbeit zu gewehrleisten. Der Arbeitsplatz ist vielleicht gefährdet und damit die Versorgung der Familie. Ältere Menschen vermissen den Kontakt zu ihren Kindern und sind einsam. Entspannen zu können, wie es Antonius vorschlägt, wird dann schwierig. Die alltäglichen Sorgen lassen die Menschen nicht los. Sie werden davon verfolgt, vielleicht sogar bis in die Träume.
Diese Anspannung kann auch Auswirkungen auf das Umfeld haben und den Menschen die Lebensfreude rauben. Umso wichtiger ist es, Freiräume zu schaffen, die es ermöglichen, den Bogen wieder zu entspannen. Die Seele baumeln zu lassen, ohne schlechtes Gewissen und das zu tun, was Freude macht.
Was könnte das sein? Einige Tätigkeiten, die die Seele erfreuen, sind
- schöne Musik hören
- in die Natur gehen
- den eigenen Körper verwöhnen,
- ein gutes Essen genießen,
- aufräumen,
- einen Menschen umarmen – auch wenn es vielleicht nur mit Worten geht.
Von Elke Wibbeke, Pastoralreferentin