Münster (pbm/sk). „Manchmal helfen für Krisen und Schwierigkeiten altbewährte Hausmittel. Die Hausmittel der Kirche sind aber ganz einfach: Gebet, Ehrlichkeit und Treue, ja auch die Möglichkeit des Fastens.“ Das hat der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, am 31. Dezember im Silvestergottes-dienst in der Stadt- und Marktkirche St. Lamberti in Münster betont. Der Bischof blickte in seiner Pre-digt auf die aktuelle Situation in Kirche und Gesellschaft. Dabei ging er von einem Wort des Propheten Jesaja aus: „Die Erde birst und zerbirst, die Erde bricht und zerbricht, die Erde wankt und schwankt.“
„Ist es nicht so, wenn wir auf das vergangene Jahr zurückschauen, dass wir uns vorkommen wie in einem großen Schiff, das hin und her schwankt und taumelt?“, fragte Bischof Genn. Wo man hinschaue, erlebe man Unfrieden, Terror, Gewalt, heftige Auseinandersetzungen, unzählige Tote angesichts politischer Unruhen. Hinzu komme, dass bei kaum jemandem der politischen Führungsriege Sicherheit zu finden sei. „Wo wir auch hinblicken, treffen wir auf Personen, die nicht wie Friedensboten aussehen, sondern Distanz und Misstrauen wecken“, sagte der Bischof. Auch in Deutschland sei die Situation von großer Unsicherheit und einer Spaltung der Gesellschaft gekennzeichnet.
Bischof Genn ging auf einige Beispiele für gesellschaftliche Brüche und Umbrüche ein. So seien die Folgen einer „ausbeuterischen Industrialisierung“ auf die Umwelt und für das Leben der Menschen massiv und forderten zum Handeln heraus. Und gerade im Bistum Münster seien viele Menschen von Problemen in der Landwirtschaft betroffen: „Wie schnell werden hier einfach Gegner ausgemacht, Feinde benannt, ohne dass im Einzelnen die schwierige Lage dieses Berufsstandes in den Blick genommen wird und die Menschen, die davon leben und in die Zerreißprobe kommen, sensibel genug beachtet werden.“ Auch nahm der Bischof die Diskussionen über die Organspende in den Blick und sagte: „Da der Mensch seine Würde im Sterben und auch über den Tod hinaus behält, darf die Freiheit bei dieser sensiblen Entscheidung nicht beschnitten werden. Eine gesellschaftliche Grundentscheidung, dass jeder Mensch grundsätzlich als Organspender anzusehen ist, solange er nicht ausdrücklich widerspricht, entspricht nicht dem christlichen Bild des selbstbestimmten Menschen.“
Die Situation in der Kirche sei von einer „tiefen Vertrauenskrise“ gekennzeichnet, die bis in den Kern der Gemeinden gehe, sagte Bischof Genn. So seien Gemeinden, in denen Missbrauchstäter gearbeitet hätten, tief gespalten. „Wie erschüttert ist das Vertrauen in Verantwortungsträger, wie verletzt sind viele Betroffene“, betonte der Bischof. Er wandte sich dagegen, das Projekt des Synodalen Weges, bei dem die deutsche Kirche in einem Gesprächsprozesse zentrale Fragen diskutieren wird, schon vor Beginn schlecht zu reden. „Es wird vermutet und gemunkelt, dass nur dann, wenn ein be-stimmtes Ergebnis herauskommt, dieser Weg überhaupt von Erfolg gekrönt ist, während andere genau das Gegenteil befürchten und in großer Sorge um die Einheit der Kirche sind“, kritisierte Bischof Genn und warb dafür, dem Prozess eine Chance zu geben.
Es komme beim Synodalen Weg nicht darauf an, dass ein guter Kompromiss herauskomme. Wichtig sei vielmehr, zu erkennen, dass „ein Wachstum an Liebe, an Friede, an Langmut und Treue im Alltag des Lebens viel mehr zu entfalten vermögen als Gier, Neid und Habsucht.“ Notwendig auf dem Synodalen Weg seien zwei Grundhaltungen: die des Hörens und die der Unterscheidung. Hören meine dabei, sich wirklich auf „den Anderen mit seinen Anliegen einzulassen und mehr zu hören, als die Laute verschiedener Worte mir sagen.“ Aus einem so verstandenen Hören erwachse die Fähigkeit zur Unterscheidung. Dabei gehe es etwa um „die Unterscheidung zwischen der Wirklichkeit und den Emotionen, die diese Wirklichkeit auslösen.“ Wichtig sei, auch zu unterscheiden, „ob die Emotionen immer der Wirklichkeit entsprechen, oder ob diese Emotionen bestimmt sind von Vorverurteilungen.“ Bischof Genn: „Ob eine Entscheidung richtig getroffen wurde, lässt sich immer daran ablesen, ob in demjenigen, der die Entscheidung trifft, ein höheres Maß an Friede und Trost gewachsen ist, oder ob sich Unruhe, Unfriede und Trostlosigkeit verstärken.“
Gerade in einer Zeit größter Bedrängnis und bei aller berechtigten Erschütterung und Verwirrung sei es wichtig, nicht nachzulassen im Glauben an Gott und sich nicht von Resignation treiben zu lassen, sondern Gott zuzutrauen, „dass er in dieser Stunde der Kirche mehr Macht hat, als alle Unheilspropheten glauben machen wollen.“ Der Bischof lud die Gläubigen ein, den Synodalen Weg innerlich mitzutragen.
Foto/Text: Bischöfliche Pressestelle / Martin Wißmann