Bitte nehmen Sie den Brief zur Kenntnis, den der Pfarreirat und der Kirchenvorstand unserer Pfarrei aus aktuellem Anlass an unseren Bischof Dr. Felix Genn geschrieben haben.
Brief der Gremien der Pfarrei St. Margareta Wadersloh nach Bekanntwerden der Vorwürfe von sexuellem Missbrauch gegen einen Priester der Pfarrei
Sehr geehrter Herr Bischof Dr. Felix Genn,
wir schreiben Ihnen als Vertreter des Pfarreirates sowie des Kirchenvorstandes unserer Pfarrei St. Margareta, die sich derzeit durch den vom Bistum publizierten Fall eines sexuellen Missbrauchs, der durch einen in unserer Pfarrei lebenden Priester begangen worden sein soll, in einer schweren Krise befindet.
Durch die lückenhaften Informationen seitens des Bistums gegenüber unserer Pfarrei sind erhebliche Irritationen in der Gemeinde entstanden. Das Bistum lässt in seinen Publikationen mitteilen, der Missbrauch sei in dem benannten Fall „unstrittig“. Demzufolge wäre es für uns wünschenswert gewesen, Aufklärung darüber zu erhalten, was zu dieser Schlussfolgerung geführt hat. Warum erklärt man seitens des Bistums beispielsweise nicht unmissverständlich, dass der Priester sein Fehlverhalten gestanden hat, wenn dem so ist? Alles andere führt – wie wir aktuell intensiv erleben müssen – lediglich zu Spekulationen und Verunsicherung.
Wenn tatsächlich von einem sexuellen Missbrauch durch den Priester auszugehen ist, so wollen wir dieses Fehlverhalten hier nicht weiter kommentieren. Es erschüttert uns schwer, macht uns sprachlos und führt uns die Abgründe menschlicher Psyche deutlich vor Augen. Die erhobenen Vorwürfe sind in ihrer Dimension absolut unbegreiflich und durch nichts zu tolerieren und akzeptieren. Auch wenn zu bedenken ist, dass auch für den beschuldigten Priester – wie für jeden nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten – zunächst einmal die Unschuldsvermutung gilt.
Wenn dem tatsächlich so ist, dass der Priester sich des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht hat, distanzieren wir uns in aller Deutlichkeit von solchem Verhalten und möchten lediglich betonen, dass wir von diesen Vorwürfen keinerlei Kenntnis und somit auch keine Möglichkeit konkreten Handelns hatten.
Dies führt uns allerdings genau zum Kern unseres Anliegens in diesem Brief: Wir erleben seit Monaten eine katholische Kirche, die sich bemüht, einen Weg zu finden, mit den Verfehlungen ihrer Amtsträger und Fehlern ihrer systemischen Strukturen in Fällen sexuellen Missbrauchs und entsprechender Übergriffigkeiten umzugehen. Die katholische Kirche als solches und auch unser Bistum Münster zeigen sich entsprechend in der Öffentlichkeit.
Umso unverständlicher ist es uns daher, wenn wir in den vergangenen Monaten in entsprechenden Publikationen des Bistums von „Nulltoleranz“ lesen bzw. wenn uns geschrieben wird „Sofern Kleriker von den Vorwürfen betroffen sind, werden in der Pfarrei, in der der Beschuldigte in der Regel zuletzt im Einsatz war, zunächst das Seelsorgeteam und die Mitglieder von Pfarreirat und Kirchenvorstand sowie dann die Gläubigen informiert.“[1] Wie hohl klingen diese Worte, wenn wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir rund neun Jahre mit einem scheinbar sehr wohl tolerierten oder zumindest klar und deutlich verschleierten Fall eines Missbrauchstäters, wenn er entsprechend der Beschuldigungen Täter ist, in den eigenen Reihen leben und arbeiten mussten. Wenn wir nun hören müssen, dass das Bistum eigentlich Zelebrationseinschränkungen in der Öffentlichkeit ausgesprochen hat, der beschuldigte Geistliche allerdings im Beisein unseres Regionalbischofs Stefan Zekorn mehrfach am Altar gestanden hat, dann können wir nicht anders, als zu fragen, wie ernst der Bistumsleitung ihre Worte sind, wenn erst dann Taten folgen, sobald ein Bekanntwerden nicht mehr zu verhindern ist.
Wir alle sind in unserer Pfarrei engagierte Christen, die sich aus ihrem Glauben heraus dazu motiviert fühlen, sich ehrenamtlich für eine Kirche zu engagieren, die gemäß der Worte Jesu das Reich Gottes verheißt. Dieser Jesus war durchaus auch unbequem für die Menschen seiner Zeit. Das Markus-Evangelium erzählt uns davon, wie er die Händler und Käufer aus dem Tempel getrieben hat. Als die Hohenpriester und Schriftgelehrten davon hörten, überlegten sie gar, ihn umbringen zu lassen (vgl. Mk 11, 15-19). Dieser im Markus-Evangelium vorgestellte Jesus hätte zu seinem eigenen Schutz vorsichtiger sein können, er hätte sich ruhiger, besonnener verhalten können. Doch er ist bereit, anzuecken, sich der öffentlichen Anfeindung und Anfrage zu stellen. Wie wünschenswert wäre es, etwas von diesem Mut Jesu auch in den Amtsträgern unserer heutigen Kirche bzw. unseres Bistums wiederzufinden…
Wir fragen uns, wie es sein kann, dass die Bistumsleitung einen Mann, gegen den schwere Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs als erwiesen angesehen werden, zwar aus seiner Pfarrstelle entfernt, ihn aber am Ort lässt, als sei nichts gewesen. Unter dem „Deckmantel der Erkrankung“ lässt man die Gläubigen vor Ort, die Ehrenamtlichen in den Gremien immer wieder nach Möglichkeiten suchen, einen Emeritus in die Gemeinschaft der Christen der Pfarrei einzubeziehen. Wir haben beständig nach Wegen und Optionen gesucht, unsere Priester im Ruhestand einzubinden, die Gläubigen in den Gemeinden, in denen der Pfarrer vormals tätig war, haben sich oft genug gewünscht, ihn am Altar zu sehen. Wo ist da die Fürsorge für die Christen an der Basis? Wir alle fühlen uns aktuell belastet, durch Unwissenheit der von seinem Missbrauch betroffenen Frau weiter Leid zugefügt zu haben, indem wir in den vergangenen neun Jahren für öffentliches Auftreten des Priesters im Bereich unserer Pfarrei eingetreten sind.
Die gesamten Umstände bzw. die gewählten Handlungsschritte des Bistums sind für uns nicht verständlich, da wir uns ein klärendes Wort seitens der Bistumsleitung gewünscht hätten. Dies bedeutet, wir hätten erwartet, dass man uns Aug in Aug Rede und Antwort steht. Natürlich begrüßen wir das Gesprächsangebot des Bistums, welches durch den Interventions-beauftragten Herrn Frings wahrgenommen wurde, doch wo bleibt die konkrete Verantwortungsübernahme der Entscheidungsträger? Herr Frings übt sein Amt erst seit einigen Monaten aus. Die Entscheidungen im Jahr 2010 und darüber hinaus haben andere zu verantworten. Rückblickend wird sicherlich allen deutlich geworden sein, dass die so getroffenen Entscheidungen unglücklich bis unverantwortlich gewesen sind. Viele unserer Gläubigen hier vor Ort fühlen sich dadurch enttäuscht und verletzt. Wir können ihnen dieses Empfinden nicht verübeln. Wir als Gremienvertreter haben nun allerdings die Aufgabe, gemeinsam mit unserem Seelsorgeteam, welches ebenfalls in eine schwer belastende Situation gebracht worden ist, um Vertrauen für unsere Kirche vor Ort zu werben. Das ist eine Aufgabe, die wir momentan kaum abschätzen können, von der wir aber spüren, dass sie für uns allein zu groß sein muss, wenn wir nicht konkrete Unterstützung der Entscheidungsträger von damals und heute erfahren.
Daher erwarten wir ein konkretes Zeichen der Bistumsleitung hier bei uns vor Ort in unserer Pfarrei St. Margareta. Wir alle, die Gläubigen unserer Kirchorte sowie wir als Gremienvertreter, möchten nicht das Gefühl haben müssen, dass „Schreibtischentscheidungen“ aus Münster der einzige Weg sind, in Vorfällen wie dem unsrigen zu reagieren. Wir wünschen uns die persönliche Präsenz und damit die direkte Gesprächsmöglichkeit mit Entscheidungsträgern auf Bistumsebene, damit wir darauf aufbauend einen neuen Weg finden können, unser Pfarreileben wieder aktiv zu gestalten und nicht nur von einer Welle der Empörung paralysiert zu werden. Übernehmen Sie Verantwortung und stellen Sie sich unseren Anfragen, damit auch wir weiterhin Verantwortung für unsere Pfarrei vor Ort übernehmen können und wollen!
Für den Pfarreirat, Tanja Schalkamp (Vorsitzende) / Für den Kirchenvorstand, Hans Berkemeier (stellv. Vorsitzender)
[1] „Nulltoleranz, Unterstützung und Prävention“, hg. v. Bischöfliches Generalvikariat Münster 2019, S. 13.